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Grenzen (short story)


kwalish

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Manche Augenblicke merkt man sich ein Leben lang. Es ist, als hätte man ein Bild gemacht von jenem Moment, als wäre die Zeit eingefroren und alles wäre wieder wie damals. Man erinnert sich an Kleinigkeiten - das Licht, die Blicke, sogar die Gerüche.

Wie dieser Moment vor knapp zehn Jahren, als die Kiste geöffnet wurde.

 

Mallek schritt flott voran. Der dreibeinige Cargolifter hinter ihm hatte Mühe, mit ihm mitzuhalten. Wer dem hochgewachsenen Captain oder dem Droiden nicht rechtzeitig auswich, wurde von Mallek kurzerhand beiseite geschoben.

Der Captain war gut gelaunt. Die Kiste, die der Cargolifter trug, würde ihm nicht nur ein kleines Vermögen einbringen, es würde ihm auch diverse Türen im Imperium öffnen. Der Empfänger war ein hochrangiger imperialer Diplomat, einer der wichtigsten Vertreter hier auf Nar Shaddaa.

 

Mallek wusste nicht, was in der Kiste war, und es interessierte ihn auch nicht. Er wurde dafür bezahlt, die Ware unbemerkt und ungeöffnet durch den Raum an diversen Zollkontrollen vorbei zu schaffen. Was sollte schon drin sein? Ein Jahresvorrat an exotischen Drogen, illegale Waffen, Giftkanister, eine Bombe? Das rang Mallek bestenfalls ein Schulterzucken ab. Wenn er die Lieferung nicht machte, tat es ein anderer. Und dann bekam auch ein anderer die Credits und die unbezahlbaren Connections im imperialen Raum.

 

Der Captain entschied sich für eine Abkürzung. Im allgemeinen war es keine gute Idee, auf Shaddaa irgendwelche Abkürzungen zu nehmen. Für die meisten führten Abkürzungen in der Vertikalen Stadt zu zwei Dingen: erstens brauchten sie wesentlich länger zum Ziel, weil sie sich hoffnungslos verirrten, und zweitens waren sie nachher um einen guten Batzen Credits ärmer - sei es, weil jemand ihnen gegen Entlohnung Hilfe oder Schutz anbot, oder einfach weil sie niedergeschlagen und ausgeraubt wurden. Im ungünstigsten Fall kamen sie überhaupt nie an ihrem Ziel an.

Aber Mallek war in dieser Stadt aufgewachsen. Er kannte die Winkel und Gassen, aber vor allem wußte er, wie er auftreten musste, damit er in Ruhe gelassen wurde. Mallek war früher selbst einer von jenen gewesen, die sich an den Dummen und Naiven bereichert hatten. Er hatte sich als Fremdenführer ausgegeben und ganze Gruppen von Touristen in die dunkelsten Ecken der Stadt geführt, nur um sie dort alleine und verängstigt sitzen zu lassen, bis “rein zufällig” ein Freund von ihm auftauchte und die Gruppe gegen einen fetten Obolus wieder heim brachte. Manchmal hatten sie auch die Rollen getauscht.

 

Mallek blieb stehen.

“Warte kurz”, sagte er zu dem Cargolifter. Er öffnete einen schlecht verschweissten Lüftungsschacht in Bodennähe, zog ein Päckchen aus seiner Jacke und stopfte es dort hinein. Dann drückte er den Deckel wieder drauf und schob etwas Müll davor.

“Ok, ab hier trag ich das Ding selbst”, sagte er dann zu dem Droiden.

Der Cargolifter stellte die Kiste ab. Mallek bezahlte ihn und er lief zurück zum Dock. Einen Moment überlegte Mallek, ob der Droide auf den öffentlichen, sicheren Wegen bleiben würde oder den selben Weg zurück nehmen würde, den sie gekommen waren. Als Kind hatte er gemeinsam mit seiner Gang Droiden in Fallen gelockt, auseinander genommen und die Einzelteile verkauft. Davon hatte er eine Weile wirklich gut gelebt.

Er zuckte mit den Schultern und hob die Kiste an. Mallek war kräftig, aber die Kiste war schwer und über längere Strecken für Menschen sehr unhandlich zu tragen. Er wollte aber so wenige rückverfolgbare Spuren wie möglich haben. Das Gedächtnis des Cargolifters konnte jederzeit abgefragt werden und es wäre unter Umständen unklug, die Adresse des imperialen Diplomaten mit ihm in Verbindung zu bringen. So sehr Mallek die imperialen Kontakte wollte und sich Profit von ihnen erhoffte, wollte er doch auch nicht seine alten Kontakte auf der republikanischen Seite verlieren. Man musste sehr behutsam mit seinen Kunden umgehen in seinem Beruf.

 

Also schleppte er die Kiste die letzten paar Blocks selbst. Sein Ziel war schon von weitem zu sehen. Der Eingang war in grellen Neonfarben beleuchtet. Sah ein wenig aus wie ein Puff. Nur die Türsteher davor waren deutlich besser bewaffnet. Zwei kybernetisch verbesserte Menschen mit dicker, rotschwarzer Rüstung und schweren Waffen standen wie Statuen vor der Sicherheitstür.

Als sie Mallek auf die Tür zukommen sahen, nahm einer von ihnen seine Kanone in Anschlag während der andere ihm entgegenkam und ihm deutete, die Kiste abzustellen.

“Wohin willst du damit?”

Mallek prüfte die Plakette neben dem Siegel, das die Kiste verschloß.

“Ambassador Gil Kehren. Persönlich.” Er fischte eine Zigarre aus der Brusttasche seiner Jacke und zündete sie an.

Der Soldat prüfte das Siegel und nickte.

Dann sprach er in seinen Comlink. Eine Serie aus Zahlen und Buchstabencodes, die Mallek nichts bedeuteten. Nicht unmöglich, daß er damit einen Hinterhald direkt vor seiner Nase inszenierte - aber manchmal musste man in seinem Beruf einfach auf die Gier seiner Kunden vertrauen. Gute Schmuggler waren nicht leicht zu finden und Mallek hatte schon einen gewissen Ruf.

 

Die Tür öffnete sich, ein Droide und ein Sith-Pureblood kamen heraus. Der Sith war ganz in dunkle Roben gehüllt. Sowas kam im Imperium wohl nie aus der Mode. Er lächelte und entblößte dabei eine Reihe spitzer Zähne.

“Captain Mallek nehme ich an?” Seine Stimme klang weich und beruhigend. Es passte nicht zu dem Sith. Er hatte etwas weniger … arschkriecherisches erwartet. Aber andererseits war das vermutlich einer der beiden Wege, wie man im Imperium Karriere machte. Der weniger tödliche.

Mallek nickte dem Sith zu.

“Ich bin Majordomus Zabo. Das Siegel wird mir als ungebrochen bestätigt und soll auch nur vom Botschafter selbst geöffnet werden. Begleitet mich also zum Botschafter. Er wird die Ware prüfen und dann entscheiden, ob der vereinbarte Betrag für die Lieferung gerechtfertigt ist.”

Mallek runzelte die Stirn und schob die Zigarre in den anderen Mundwinkel.

“Der Lieferpreis ist nicht verhandelbar.”

Zabos Lächeln wurde noch etwas breiter und noch etwas schleimiger.

“Es obliegt mir nicht, das zu beurteilen. Der Botschafter ist jedoch dafür bekannt, nur unbeschädigte Ware entgegen zu nehmen.”

Mallek schnaufte. Er kannte diese Tricks. Aber es hatte keinen Sinn, mit dem Majordomus darüber zu streiten.

“Bitte gebt eure Waffen dem Leutnant hier und folgt mir dann zum Botschafter.”

“Hab keine mitgenommen.”

“Dann macht es euch sicher auch nichts aus, wenn der Leutnant das kurz überprüft?”

Mallek hob schlicht die Arme. Der Soldat führte einen Sensor über seinen Körper und nickte dann Zabo zu.

Der Droide trug die Kiste in die Botschaft. Zabo bedeutete Mallek, ihm zu folgen und ging dann selbst hinter den beiden her. Die Soldaten blieben vor der Tür.

 

Die Botschaft glich einem Schlachtfeld. Vorhänge waren heruntergerissen, Vasen umgestürzt, Flaschen lagen überall verstreut ebenso wie Gläser und Speisen. Überall schliefen oder lungerten mehr oder minder gut bekleidete Leute auf Diwanen, in Stühlen oder einfach auf dem Boden. Hauptsächlich Menschen, ein paar Sith-Purebloods, jede Menge halbnackter Twi’lek-Mädchen.

“Der Botschafter ist wohl ein Freund der gepflegten Unterhaltung.”

Zabo lächelte ihn an. “Botschafter Kehren ist bekannt für seine herausragenden Feste.”

“Was war der Anlass?”

Der Majordomus hob eine Augenbraue. “Anlass?”

 

Sie durchquerten einen weiteren Saal mit einem Brunnen, aus dem, dem Geruch nach zu urteilen, alderaanischer Wein floss. Der Farbe nach hätte es auch Blut sein können. Eine junge Frau lag darin, die Arme um die Düse in der Mitte geschlungen. Der Wein lief ihr übers Gesicht und bildete manchmal kleine Bläschen um Nase und Mund. Es sah aus, als würde sie im Sterben liegen.

Sie traten durch einen Vorhang, vorbei an zwei nüchternen Soldaten und durch eine weitere Sicherheitstür.

Der Raum dahinter war abgedunkelt und stockfinster. Nur die Glut von Malleks Zigarre durchdrang die Finsternis wie ein kleines rotes Auge.

Der Droide blieb stehen und Mallek prallte gegen ihn. Er hörte, wie die Kiste abgestellt wurde und wie Zabo an ihm vorbei huschte.

Dann hörte er Zabo mit jemandem flüstern. Es schien eine kurze, geflüsterte Diskussion zu geben, die mit einem zornigen “Also gut!” beendet wurde.

Ein kleines Licht flammte auf. Nicht mehr als eine Nachttischlampe. Für einen Moment war Mallek trotz Licht genauso blind wie zuvor. Jemand stöhnte auf.

Dann gewöhnten sich Malleks Augen an die Umstände.

Eine kleine, runde Gestalt wuchtete sich unter Ächzen und Stöhnen aus einem übergroßen Bett voller violetter Satinlaken und Polster. Er trug eine violett-rote Robe mit hochgestelltem Kragen - der jedoch an einer Seite umgeknickt war, was dem ganzen einen etwas komischen Touch gab.

“Sooo … du bringst mir also meine Lieferung”, lallte er. “Wollen mal sehen.”

Mallek blies eine Rauchwolke aus.

“Ich soll die Kiste nur an Ambassador Gil Kehren aushändigen”, begann er vorsichtig.

“Ich BIN Ambassador Gil Kehren”, fuhr der kleine dicke Mann ihn mit schriller Stimme an. “Jeder kennt mich! Jeder kennt meine wundervollen Feste!”

Er watschelte zu Mallek und wollte ihm ins Gesicht sehen, ging ihm aber bestenfalls bis zur Brust. Statt dessen hielt er ihm einen goldringbesetzten dicken Zeigefinger ins Gesicht und spie: “Bete lieber, daß die Lieferung in Ordnung ist. Ich nehme NUR ordentliche Ware!”

Mallek nahm seine Zigarre aus dem Mund, um den Ambassador zu informieren, daß solche Ansprüche nur möglich waren, wenn er die Ware vor Übernahme prüfen durfte. Aber dann verzichtete er darauf. Er war wegen der Kontakte hier. Besser, ausnahmsweise sein Mundwerk in Zaum zu halten.

 

Kehren wandte sich abrupt um und ging zur Kiste. Eine Wolke aus Alkoholgeruch blieb noch einen Moment in der Luft hängen.

“Öffne die Kiste, Sklave”, befahl er.

Zu Malleks Überraschung kam ausgerechnet Zabo dem Befehl nach. Das schleimige Lächeln wich auch scheinbar nie von seinem Gesicht.

Zabo öffnete die Kiste, indem er das Siegel brach und eine Keycard in den darunter liegenden Schlitz steckte. Die Kiste zischte kurz und klappte dann seitlich auf, die Öffnung von Mallek abgewandt, so daß er den Inhalt nicht sah.

Licht kam aus der Kiste.

Der Botschafter machte ein verzücktes Gesicht.

Zabo lächtelte kalt wie immer.

 

“Nun”, sagte der Botschafter. “Das sieht ganz ordentlich aus. Ein wenig schmutzig … aber wir werden noch viel schmutzigere Sachen machen.” Er kicherte.

Mallek beschlich ein ungutes Gefühl. Er mochte nicht, in welchem Zusammenhang diese Worte zu stehen schienen.

Er ging um die Kiste herum. Es schien länger als gewöhnlich zu dauern.

Ein unangenehmer Geruch überlagerte das Gemisch aus Zigarrenrauch und Alkohol.

 

In der Kiste brannte eine kleine Lampe.

Ein Mädchen saß zusammengekauert darin. Eine junge Zabrak mit brauner Haut und rotem Haar. Sehr jung, höchstens zehn Jahre alt. Sie trug ein hauchdünnes, kurzes, weißes Kleidchen. Sie musste den Kopf und die Knie einziehen, um in die Kiste zu passen. Sie hatte eine Sauerstoffmaske in einer Hand, die Verpackung eines Energieriegels in der anderen. Sie saß in ihrem eigenen Kot und Urin.

Das Mädchen sah den Botschafter an. Dann glitt ihr Blick langsam zu Mallek. Ihre Pupillen waren stark geweitet. Ihr Mund stand ein wenig offen. Die Lippen waren rissig und trocken.

 

“Ich musste eine ganze Familie töten lassen, um diese Ware zu bekommen”, sagte Kehren fröhlich. “Aber ich bin sicher, der Aufwand hat sich gelohnt. Zabo, zahl den Schmuggler aus. Minus zehn Prozent für den Schmutz hier.” Er deutete mit seinen ringbesetzten Fingern auf die Kloake in der Kiste.

 

Mallek blinzelte. Alles hatte seine Grenzen. Er war keiner, der viel auf Moral hielt, aber es gab bestimmte Punkte, die ihm heilig waren. Kinder waren einer dieser Punkte.

Er hatte das Bedürfnis, sich zu schütteln, oder sich die Hände zu waschen.

Ein Jammer. Da ging seine Chance dahin, mit dem Imperium reich zu werden.

Zabo trat vor ihn, hantierte auf einem Pad, das auf seinem Handgelenk montiert war.

“Der vereinbarte Betrag abzüglich Reinigungsspesen wurde überwiesen”, sagte er.

Er lächelte sein schleimiges, leeres Lächeln.

Mallek hob seine Hand, steckte die Zigarre wieder in den Mund, kratzte sich an der Nase. Dann änderte er Richtung und Geschwindigkeit der Bewegung und rammte dem Majordomus den Ellenbogen gegen den Kehlkopf.

Noch bevor der röchelnde Zabo zu Boden fiel, sprang Mallek an ihm vorbei und rammte den Ambassador um. Kehren fiel vornüber mit einem überraschten Aufschrei in sein weiches Bett.

Mallek griff von hinten seine beiden Handgelenke, zog sie mit aller Kraft rückwärts, während er ihm mit seinem Stiefel im Genick das Gesicht in die Matratze drückte.

Er hörte die Knochen brechen, erst die Schultern, dann die Halswirbel. Der Botschafter schrie in die Matratze - ein dumpfes Geräusch wie ein Gähnen.

Einen Moment später war alles vorbei.

Der Botschafter rührte sich nicht mehr. Der Majordomus hatte aufgehört zu röcheln.

Der Droide surrte einen Moment und begann dann, das Zimmer aufzuräumen.

 

Mallek sah zur Kiste.

Das Mädchen verbarg ihr Gesicht unter ihren Armen.

Einen Moment war Mallek unschlüssig. Was sollte er mit ihr machen? Zurücklassen konnte er sie nicht.

“Komm”, sagte er und hielt ihr die Hand hin. Sie zuckte zusammen, als sie seine Stimme hörte.

“Komm, ich bringe dich hier raus. Vertrau mir. Bitte.”

Sie sah ihn an. Dann kam sie vorsichtig heraus gekrochen. Es sah nicht aus, als würde sie ihm vertrauen - eher als erwarte sie Schläge, wenn sie nicht folgte.

“Wir haben nicht viel Zeit. Zieh das angekackte Kleid aus und wisch dich ab.”

Sie kam der Aufforderung zögerlich nach, ohne ihn aus den Augen zu lassen. Mallek zog eine Decke vom Bett, wickelte das Mädchen ein und warf sie sich über die Schulter.

“Kein Ton jetzt”, sagte er. “Und rühr dich nicht.”

 

Er trat durch die erste Sicherheitstür, nickte den Wachen zu und ging weiter.

Mallek sah sich nicht um. Vermutlich erntete er verwirrte Blicke für die Decke über seiner Schulter. Er musste sich einfach darauf verlassen, daß sie seltsameres von ihrem Botschafter gewohnt waren.

Auf dem Weg nach draußen schnappte er sich einen von einem der Gäste achtlos liegen gelassenen Mantel. Dann passierte er die äußere Sicherheitstür.

Wieder nickte er den Soldaten zu.

Einer von ihnen sprach in seinen Comlink.

Als er beinahe um die nächste Ecke gebogen war, hörte er ein nur zu bekanntes Geräusch - das Entsichern einer Waffe. Er rannte los.

Ein Autoblaster röhrte auf, Plasteel neben ihm spritzte hoch. Mallek rettete sich um die Ecke, blieb aber nicht stehen. Er rannte, ohne sich umzudrehen, mal links um eine Ecke, mal rechts.

Endlich bremste er, rollte das Zabrak-Mädchen aus der Decke und warf ihr den Mantel zu.

Dann schob er den Müll beiseite und riss das schlecht verschweisste Lüftergitter ab, zog das Päckchen heraus, das er dort versteckt hatte und riss es eilig auf.

Er zog den Blaster und eine Granate heraus, drehte sich um - gerade rechtzeitig um einen um die Ecke kommenden Soldaten unter Feuer zu nehmen.

Der Soldat ging in Deckung, hielt nur seinen Autoblaster heraus und begann blind zu feuern.

Mallek packte die Zabrak am Revers des Mantels, den sie inzwischen übergestreift hatte, und zog sie herunter. Über ihnen spritzte der Plasteel von den Einschlägen.

Der Schmuggler zog ein letztes Gerät aus dem zerfetzten Päckchen. Er entsicherte die Granate, warf sie und wendete sich ab.

“Bleib nah bei mir”, sagte er. Dann detonierte die Granate mit einem ohrenbetäubenden Knall und einem grellen Lichtblitz.

Er packte die Zabrak am Arm, zog sie mit sich und drückte auf dem Gerät auf einen Knopf.

Die Luft flimmerte für einen Moment, doch mehr schien nicht zu geschehen.

“Beweg dich leise und langsam, sprich nicht. Dann sehen sie uns nicht”, raunte Mallek ihr zu.

Dann zog er sie hoch und schob sie vorwärts.

Einige Soldaten kamen um die Ecke gelaufen, sicherten die Umgebung nach allen Seiten.

Einer gab Befehle, ließ die anderen ausschwärmen und alle Seitengassen durchsuchen.

Mallek und die Zabrak gingen ziemlich knapp an ihm vorbei, doch er sah sie nicht.

 

Sie gingen durch die Straßen, langsam, leise, während rund um sie Nar Shaddaa tobte und lebte. Nach einer Weile flimmterte die Luft wieder. Mallek packte das Gerät weg.

“Wir sind wieder sichtbar?”

Er nickte. Sie flüsterte. Er mochte ihre Stimme irgendwie. Sie klang ein wenig trotzig. Stark.

“Warum?”

“Das Ding hält nicht ewig.”

Eine Weile gingen sie wieder schweigend nebeneinander her.

“Kennst du hier jemanden”, fragte Mallek schließlich. Irgendwo musste er sie ja hin bringen.

Sie schüttelte den Kopf.

Mallek kratzte sich die Bartstoppeln am Kinn. “Ok, wohin soll ich dich bringen?”

Sie schwieg einen Moment, bevor sie sagte: “Niemand, den ich kannte, lebt noch.”

Sie wischte sich mit dem Ärmel des Mantels übers Gesicht.

Mallek überlegte kurz, ihr sein Beileid auszusprechen. Aber es schien ihm eine leere Geste.

Er überlegte, ob er sie in den Arm nehmen sollte. Aber er brachte es irgendwie nicht zusammen.

Doch irgend etwas musste er für sie tun. Er war nicht schuld an ihrem Schicksal, sagte er sich, aber er konnte sie auch nicht einfach zurück lassen.

“Komm mal auf mein Schiff”, entschied er. “Dort kannst du dich zumindest mal sauber machen und wir besorgen dir was zum anziehen. Und dann sehen wir weiter.”

Sie sah ihn skeptisch an.

“Du kannst jederzeit weg, ist klar.”

“Ich kann nichts bezahlen”, sagte sie.

Er winkte ab. “Wir einigen uns schon irgendwie.”

Sie ließ ihn nicht aus den Augen. “Wie zum Beispiel?”

Sie wirkte wie ein fluchtbereites Tier, auch wenn sie sich alle Mühe gab, ruhig zu erscheinen.

Mallek zuckte betont locker mit den Schultern. “Weiß nicht. Kannst du kochen? Oder mit Maschinen umgehen?”

“Ich kann Waffen reinigen und instandhalten. Und schießen.”

Der Captain hob überrascht eine Braue. “Ist das so?”

“Meine Eltern waren Waffenhändler.”

Einen Moment hielt sie seinem Blick stand. Dann sah sie weg und wischte sich wieder übers Gesicht.

“Ich glaube, wir werden einen Job für dich finden”, sagte Mallek schnell und betont fröhlich. Mit den anderen Interaktionsoptionen konnte er in so einer Situation nicht umgehen.

“Ich bin Mallek. Und du?”

Sie atmete tief durch.

“Nyell”, sagte sie. “Ich bin Nyell.”

 

 

Knapp zehn Jahre später.

Mallek spürte, daß es wieder so ein Augenblick werden würde, der sich in sein Gedächtnis einbrennen würde.

Nyell stand in der Schleuse. Sie hatte eine leichte Rüstung an und einen Blaster geschultert. Eine Tasche stand neben ihr auf dem Boden.

Sie öffnete die Schleuse. Der plötzliche Druckunterschied ließ ihre roten Haare fliegen. Die warme Luft roch nach Plastik und Abgasen.

Sie sah zu ihm zurück.

Er sah, daß sie nicht glücklich war. Aber sie würde auch nicht glücklich sein, wenn er sie zwang, hier zu bleiben.

 

Er musste etwas sagen. Irgend etwas, um die Situation aufzulockern. Er war ja auch sonst nicht auf den Mund gefallen - aber jetzt brachte er keinen Ton heraus.

Sie hatten die letzten zwei Tage nicht miteinander gesprochen. Seit dem Streit, der ihrer Ansage gefolgt war, sich den republikanischen Truppen auf Ord Mantell anzuschließen.

Sie hatte es mit Stolz und Freude verkündet. Mallek hatte sie gefragt, ob sie komplett bescheuert geworden war. Sie hatte seine offene Abneigung gegen diese Idee nicht gut aufgenommen.

Was dachte sie sich nur dabei? Republikanische Soldaten waren Kanonenfutter! Dumme Befehlsempfänger, billiger als Kampfdroiden.

Aber sie wollte “etwas zurückzahlen”, “Rechnungen begleichen”. Indem sie eine Soldatin wurde. Was für ein Haufen dampfender Banthakacke.

 

Sie hatten die letzten zehn Jahre gemeinsam Verbracht. Zu sagen, sie wären wie Vater und Tochter, wäre eine Übertreibung. Ihre Beziehung war immer etwas distanziert gewesen, soweit das auf einem Raumschiff möglich war. Mallek hatte Schuldgefühle ihretwegen und sich deshalb um sie gekümmert, auch wenn ihre Ansichten selten überein stimmten und sie sich häufig stritten. Er hatte oft darüber nachgedacht, sie irgendwo unter zu bringen, aber alle seine Bekannten waren Verbrecher, Betrüger oder noch schlimmeres Gesindel. Nichts, wo er ein Mädchen zurück lassen wollte. Er wollte einen guten, sicheren Platz für sie - und nun ergriff sie die Initiative und ging ausgerechnet zum Militär.

 

Mallek klappte den Mund auf, aber nach einem Augenblick schloß er ihn wieder. Es wollte ihm nichts einfallen, was man in dieser Situation sagen konnte.

Sie sah ihn an und sagte ebenfalls nichts. Vielleicht ging es ihr ebenso.

Vielleicht brauchte er auch nichts zu sagen. Vielleicht sollte er sie einfach nochmal in die Arme schließen und fest drücken, und sie dann ziehen lassen.

Andererseits hatten sie sich noch nie fest in die Arme geschlossen. War das nun ein günstiger Zeitpunkt, um damit anzufangen? Es würde sich seltsam anfühlen. Irgendwie nicht richtig, oder?

 

Sie bückte sich, hob ihre Tasche und stieg durch die Schleuse die Landerampe hinunter.

Nyell überquerte das Landefeld zügig.

Mallek trat an die Schleuse, lehnte sich an die Schiffswand und sah ihr nach.

Wenn sie sich wenigstens noch einmal umdrehte. Ihm vielleicht noch einmal zulächelte. Nein, das war sicher zu viel verlangt. Einfach nur nochmal zu ihm zurück sehen, das würde ihm schon reichen.

Sie blieb stehen.

Mallek richtete sich auf.

Einen Moment stand sie da, Tasche in der einen Hand, die andere hielt den Blaster fest. Nicht weit weg vom Ausgang. Letzte Chance.

 

Dann ging sie weiter. Trat durch den Ausgang und verschwand.

Mallek zog eine Zigarre aus seiner Brusttasche und steckte sie sich an.

Eine Weile stand er so in der Schleuse und lies Rauchwolken aufsteigen.

Dann ging er wieder rein, schloß die Schleuse mit der Faust.

“Scheisse”, sagte er zur Welt.

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